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Think positive about sex - Fachtag zu "LUST. im Kontext sexueller Selbstbestimmung"

19.07.2018
Die diesjährige Fachtagung des Familienplanungszentrums BALANCE hatte sich zum Ziel gesetzt, das Thema Lust aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und dabei die sexuelle Selbstbestimmung als positv verstärkend für das Erleben persönlicher Lust zu begreifen.
In fünf Workshops wurden verschiedene Facetten des Themas aufgegriffen: Die Einvernehmlichkeit im Sexualstrafrecht wurde ebenso betrachtet wie die Auswirkungen von gesellschaftlichen Normen auf die freie Entfaltung der Lust oder körperorientierte Möglichkeiten zur Wiederentdeckung von Lust. Der positive Umgang mit vielfältigen sexuellen Identitäten fand ebenso Beachtung wie die intersektionale Analyse aktueller Kampagnen wie #ausnahmslos oder #metoo.
Anja Kofbinger eröffnete den Fachtag mit einem Grußwort. Als Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik der Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin griff sie die Themen der Lust jenseits der heteronormativen Perspektive auf. Diese seien lange unsichtbar gemacht und pathologisiert worden. Besonders im Bereich der Sexualität seien die gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnisse des Patriarchats eingeschrieben.
Sexualität sei mehr als nur Sex. So gehe es auch um Rollenzuschreibungen, Regeln und Rechte, es gehe um Macht und Politik.
Kofbinger betonte das Ziel einer Gesellschaft, in der alle Geschlechter ihre sexuellen Vorstellungen, Identitäten und Phantasien annehmen und offen über ihre Bedürfnisse und ihre Lust kommunizieren könnten.

Im Rahmen der Workshops sollte die Vielfalt von Begehren und Lust positiv sichtbar gemacht werden und Raum geschaffen werden für oft ausgeblendete Perspektiven, etwa für die Vielfalt sexueller Identitäten.
Im Workshop mit Tantralehrerin Ilka Stoedtner wurden verschiedene körperliche Wahrnehmungsübungen einzeln und als Paar ausprobiert. Mit einer Mischung aus Meditation, Atemübungen und Bewegungsspielen wurden An- und Entspannung bewusst gemacht und reflektiert, wie diese auf einen selbst und andere wirken.

Christina Clemm, Fachanwältin für Strafrecht und Familienrecht, berichtete in ihrem Workshop von den Neuerungen der kürzlich durchgesetzten und nicht wenig umstrittenen Sexualstrafrechtsreform sowie ihren persönlichen Erfahrungen des Arbeitsalltags in Berlin. Durch ihre Mitgliedschaft in der Expertenkommission zur Reform des Sexualstrafrechts (BMJV) und ihre praktische Tätigkeit konnte sie auf anschauliche Weise Einblicke in die oftmals schwer verständlichen juristischen Regelungen verschaffen. Dabei ging es um die Frage, inwiefern die Verschärfung des Sexualstrafrechts zu einer lustfeindlichen Gesetzgebung geführt haben könnte – nach dem Motto „niemand möchte einen Staatsanwalt unter´m Bett“ oder wie es aus einer Arbeitsgruppe des 41. Strafverteidigertags diesbezüglich hieß: „Eine lebenswerte, spannende und erfüllte Sexualität muss geschützt werden. Sie muss vor dem Zugriff, der Kontrolle und der Einmischung des Staates geschützt werden.“ Clemm distanzierte sich von dieser Sichtweise und betonte die positiven Konsequenzen der Reform im Sinne der sexuellen Selbstbestimmung – auch wenn eine abschließende Beurteilung noch bevor stehe.
Zwei weitere Workshops beschäftigten sich mit der Lust im Kontext von gesellschaftlichen Normen sowie der Einvernehmlichkeit beim Flirten.

Es ging bei René_ Hornstein  (Dipl.-Psych., Bundesverband Trans*) und
Robin Franke (Sexological Bodyworker_in / Dozent_in) darum, wie das Wissen um gesellschaftliche Normen und Unterdrückung dabei helfen kann, die eigene Lust auszuleben, wie dieses Wissen die Lust beeinflusst und wie sie neu gedacht und entdeckt werden kann. Dazu gab es eine Mischung aus kurzem Input, Körperübungen und interaktiven Methoden,  um den intersektionalen Perspektiven auf Lust nachzugehen.

Wie läuft Flirten im Konsensprinzip ab? Was ist Flirten überhaupt? Da der Begriff nicht nur positiv besetzt ist, von einer Person auch als bedrängend wahrgenommen werden kann, wurde im Rahmen des Workshops in das Konsens-Prinzip eingeführt. Konkrete Spielsituationen verdeutlichten im Workshop von Blu Doppe (queer_topia*,
Bildungsreferent_in/ Diversity-Trainer_in), wie in einer Flirtsituation miteinander achtsam umgegangen werden kann.

Im Workshop Wir alle von Hengameh Yaghoobifarah (Journalist_in, Redakteur_in des Missy Magazin) wurde die Sicht auf sexualisierte Gewalt und die sich dagegen wenden Kampagnen und Debatten wie #metoo und #ausnahmslos gerichtet und eine intersektionale Betrachtung, die nicht nur weiße, heterosexuelle cis Frauen in den Blick nimmt, angeboten.
Lust auf sexuelle Selbstbestimmung machten auch Mika Bangemann mit ihrer Objektperformance und LadyLazy, die den Fachtag mit queerfeministischem Rap zu einem guten Abschluss brachte.
Die mit 85 teilnehmenden Personen ausgebuchte Fachtagung machte deutlich, dass die positive Auseinandersetzung mit dem Thema Lust und sexuelle Selbstbestimmung auf breites Interesse stößt. Eine anknüpfende Veranstaltung ist geplant.