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Themenabend „Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau*“ im Gunda-Werner-Institut (GWI)

07.03.2018
Am Vorabend des Internationalen Frauentages diskutierten Expert*innen die negativen Auswirkungen der Kampagnen der Lebensschützerinnen und Lebensschützer auf die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche - Beratung, Politik, medizinisches Studium und sexualpädagogische Bildung.
Warum erlernen Ärzt*innen die Durchführung einer der häufigsten gynäkologischen Operationen im Studium nicht? Wo endet der sexualpädagogische Bildungsauftrag von Jugendlichen? Und warum funktioniert die Sprachlosigkeit über den Schwangerschaftsabbruch auch unabhängig von Gesetzen?

Auf diese Fragen gab es Antworten im Gespräch mit den eingeladenen Gästen:
• Eike Sanders, antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz)
• Ulle Schauws, MdB, Sprecherin für Frauenpolitik, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
• Lisa Frey, Sexualpädagogische Aufklärung/ Familienplanungszentrum Balance
Ulle Schauws gab Einblicke aus den interfraktionellen Abstimmungen zur Änderung/Streichung des § 219a StGB, aufgrund dessen die Gießener Ärztin Kristina Hänel verurteilt worden war. Laut Schauws seien die Auswirkungen des Paragrafen auch vielen Politiker*innen nicht bekannt gewesen, ebenso die Tatsache, dass Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch geregelt sind. Es sei eine weit verbreitete Unwissenheit darüber, dass Abbrüche straffrei gestellt werden aber Ärzt*innen bei Informationsweitergabe verurteilt wurden, sie zudem im Rahmen des medizinischen Studiums nicht das Wissen über einen sicheren Schwangerschaftsabbruch erlernen könnten.
Fehlendes Wissen gehe einher mit einer Sprachlosigkeit, die Tabuisierung und Stigmatisierung zur Folge habe, so Peggy Piesche, Referentin Feminismus mit Schwerpunkt reproduktive Rechte im Gunda-Werner-Institut, die die Veranstaltung moderierte.
Für den Bereich der sexualpädagogischen Bildung hielt Lisa Frey aus dem Sexualpädagogischen Fachteam des FPZ einen Inputvortrag zur Thematisierung von ungewollter Schwangerschaft in der sexuellen Bildung mit Jugendlichen. Sie bemängelte fehlende Materialien zur zielgruppenspezifischen Informationsvermittlung an Jugendliche. Hier werde bereits die Sprachlosigkeit im Umgang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch begründet, anstatt sachlich zu informieren.
Eike Sanders von apabiz zeigte die organisatorischen Strukturen der Lebensschutzbewegung auf sowie deren Strategien. Die Ausnutzung gesetzgeberischer Widersprüche in den Paragrafen 218/219 StGB sei eine Möglichkeit zur Herbeiführung von Zuständen, wie sie heute in einigen Regionen bereits zu beobachten sind. Es solle eine Klima geschaffen werden, in dem möglichst wenige Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen bereit sind. Die medizinethischen Strategien  der Lebensschutzbewegung haben Eike Sanders und Mitautor*innen in ihrem neuen Buch „Kulturkampf und Gewissen“ analysiert, dass im Rahmen der Veranstaltung vorgestellt wurde.